Noch eine Woche, dann hat dieser elende Wahlkampf endlich ein Ende. Eigentlich war es ja gar kein Wahlkampf. Es war vielmehr ein Hickhack aus hohlen Phrasen, Dümmlichkeiten und nervenden Seitenhieben, die es der Wählerschaft wahrlich nicht leicht gemacht haben, sich zu entscheiden. Ok, das haben wir bei vergangenen Wahlen auch schon erlebt. Dieses Mal war es jedoch besonders auffällig.

Nächste Woche wird nun aus einem großen Haufen Pfeifen die eine vermeintliche Flöte gezogen, die es richten soll. Die ganze Veranstaltung hat daher eher den Anschein einer Lotterie, denn einer echten Wahl. Man kann nur darauf warten, bis einer der Teilnehmer:innen bei der am Wahlabend stattfindenden Elefantenrunde laut „Bingo!“ ruft. Dem einen oder anderen meiner Leser:innen wird nun sicher jemand vor dem geistigen Auge erscheinen, dem so ein Ausruf durchaus zuzutrauen wäre. Doch genug der Subtilität. Denkt doch was ihr wollt.

Um’s vorweg zu nehmen: natürlich sind nicht alle, die sich zur Wahl stellen automatisch Pfeifen. Nein, da sind sehr viele engagierte Leute dabei, die wirklich etwas bewegen und verändern wollen. Leute, die die Zeichen der Zeit erkennen und im besten Sinne des demokratischen Diskurses diskutieren und Lösungen suchen. Diese Leute haben meist auch kein Problem damit, sich mit anderen klugen und engagierten Köpfen zusammenzusetzen, wenn es um die Verbesserung oder Weiterentwicklung bestimmter Dinge geht. „Ja-haaa, in der Kommunalpolitik geht das vielleicht! Aber doch nicht auf Bundesebene!“ mag jetzt so mancher rufen. Doch, das geht. Die Schweden machen es uns vor und das gar nicht mal so schlecht. 

In unserem Land sind wir allerdings noch weit davon entfernt, parteiübergreifend Lösungen zu finden. Bei uns hocken alle auf ihren Manifesten und sind kaum bereit auch nur ein Zoll abzuweichen. Selbst innerhalb einer Regierungskoalition kann man diese Grabenkämpfe beobachten. Dabei sollte man ja schon erwarten dürfen, dass die sich zusammenreißen und gemeinsam Lösungswege erarbeiten! Möglicherweise liegt es mitunter auch daran, dass gerade auf Bundesebene das Motto des Walther von der Vogelweyde gelebt wird: Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’.

Da werden dann eben Entscheidungen gefällt, die jenen gefallen, die die Politiker bezahlen. Allein von Wählerstimmen kann man ja schließlich nicht leben und die Diäten des Bundestages reichen gerade mal so um über die Runden zu kommen. Da kann der Bankangestellte, der Arbeiter in der Industrie, die Pflegekräfte und die Angestellten im Einzelhandel doch gar nicht mitreden. 

Einigen wenigen Mitgliedern des hohen Hauses scheint die Kohle dennoch auszureichen, es gibt tatsächlich Abgeordnete, die keine Nebeneinkünfte aus der Wirtschaft haben. Idealisten halt….

Wir, die Wähler:innen haben nun noch eine Woche Zeit uns zu entscheiden. Das ist gar nicht so einfach. Wollen wir in Zukunft von einer Frau regiert werden, die es nicht einmal schafft, irgendwelche Fußnoten in Texten, die vorher keiner gelesen hat, richtig anzugeben? Dann könnt ihr auch gleich mich wählen! Ich kann das ebensowenig. Meine Texte liest auch kaum jemand. Außerdem mache ich ständig Rechtschreib- und Grammatikfehler in meinen Texten und recherchiere schlampig. Von wörtlicher Rede ganz zu schweigen. Folgt man dem Duktus dieses Wahlkampfes, wäre ich quasi schon überqualifiziert für das Amt der Kanzlerin.

Vielleicht waren die Hinweise auf fehlerhafte Fußnoten aber auch nur ein Ablenkungsmanöver. Ein wenig die Angst vor Verboten von was weiß ich zu schüren gehört ja mittlerweile zum guten Ton im Wahlkampf. Zu links, zu öko und schon gruselt es so manchem Wähler. 

Dieses Mal war es besonders auffällig, wie wenig es um Inhalte in diesem Wahlkampf ging. Man regte sich über Fußnoten auf und kehrte Wichtiges einfach unter den Teppich. 

Es gäbe nämlich so Einiges, über das wirklich nachgedacht werden muss. Man könnte sich zum Beispiel überlegen, was im Großen wie im Kleinen getan werden muss, damit die Erde sich nicht der Menschheit entledigt. Ein einfach so dahin geschriebener Satz, aber eine Aufgabe gewaltigen Ausmaßes. 

Als Nächstes ist es sicher einen Gedanken wert, sich mit den Menschen zu befassen, die ohne eigene Schuld ihre Heimat verloren haben. Sind sie uns, die wir zufällig im reicheren Teil der Erde leben, vollkommen egal oder sehen wir uns in der Verantwortung? Ach, und wenn wir schon bei der Verteilung von Geldern sind: schauen wir doch gleich einmal auf die Steuererleichterungen, die uns von den Parteien versprochen werden. Werden diejenigen bedacht, die ohnehin schon ein reichliches Einkommen haben, oder werden die Gelder jenen gegeben, die trotz mehrfachen Jobs gerade mal so überleben?

Unter diesen Aspekten werden die Fußnoten dann wieder zu dem, was sie sind: Fußnoten eben.

Die Kandidaten der beiden anderen Volksparteien machen uns die Entscheidung auch nicht leichter. Während der eine gönnerhaft mit Interviewerinnen umgeht, sie als „junge Frau“ tituliert, in höchst unpassenden Momenten laut lacht und nicht in der Lage ist, sich den Fragen von Kindern ernsthaft zu stellen, tut der andere alles dafür, seine Beteiligung an diversen Finanzskandalen zu verstecken. Letzterer gibt sich als ruhiger und souveräner Staatsmann und sammelt im Endspurt tatsächlich noch ein paar Punkte im Wählerranking. Was ihn dazu befähigt, ein so hohes Amt wie das des Bundeskanzlers zu bekleiden, bleibt nach wie vor sein Geheimnis. 

Welchem der beiden Kandidaten traut ihr liebe Leser:innen zu, etwas zum Besseren zu verändern? 

Der Eine hat schon während des gesamten Wahlkampfes, vor und während seiner Zeit als Ministerpräsident gezeigt, dass er mitunter keinen rechten Überblick zu haben scheint. So hat er doch glatt Klausurarbeiten verbummelt und dann eben auf gut Glück entsprechende Zensuren verteilt. Die rheinische Frohnatur, die ein wenig an Onkel Dittmeyer aus der Saftwerbung erinnert, steht nicht besonders für Innovation und Aufbruch, sondern eher für Stillstand und Weitermauscheln.

Beim anderen Kandidaten hat man so den Eindruck, es habe sich halt kein anderer für den Posten gefunden. Dröge, emotions- und farblos kommt er daher. Aufbruchstimmung sucht man bei ihm und seiner Partei vergeblich. Vielleicht können ja ein paar Menschen aus Hamburg, wo er als Bürgermeister regierte, etwas Nettes über ihn sagen. 

Was also tun? Welcher Partei soll der Wähler seine Stimme geben? Klar, zunächst der Partei, die die Interessen des Wählers vertritt oder zu vertreten scheint. Da kann man ja auch nie so sicher sein. Aber Hand auf’s Herz, wer liest denn schon alle Wahlprogramme? Also bleibt, wie bei jeder Wahl, der Wähler innerhalb seiner eigenen Blase. Die Konservativen möchten keine Veränderung im gesellschaftlichen Gefüge. Der Knecht ißt nunmal einfach nicht an des Bauern Tisch. Die Liberalen vertrauen weiterhin auf die Selbstregulierung des Marktes und pfeifen auf das Mitgefühl für finanziell schwache Menschen. Die Sozialdemokraten wundern sich auch dieses Mal darüber, dass sie überhaupt noch gewählt werden, obwohl ihnen die Sozialkompetenz schon lange und gänzlich abhanden gekommen ist. Die grünen Wähler haben die Nase von all den oben genannten voll und sind bereit für Veränderung. Aber ein bissle soll es auch so bleiben wie bisher. Schließlich ist die Wählerschaft den Latzhosen und den Norwegerpullovern seit langem entwachsen und lebt nun recht komfortabel im Reihenhäusle mit Garten. Das gibt man ja nicht so mir nichts dir nichts auf. 

Die Linken fordern irgendwas. Die Rechten bewegen sich hart am Rande des Erträglichen und des Sagbaren. 

Jede der sich zur Wahl stellenden Parteien glaubt, es besser zu machen als all die anderen. Sie schreien ihre Vorzüge laut heraus und stellen die Fehler der anderen in den Vordergrund. Sie schüren ganz bewußt Ängste vor Fremden, vor sozialer Gerechtigkeit, vor klimapolitischen Maßnahmen und verschweigen ihre eigene Ratlosigkeit. Glaubt man der Wahlwerbung, so ist jede einzelne Partei das Nonplusultra in der Parteienlandschaft. Wer es dann nach der Wahl wirklich besser macht, wird man sehen. 

Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz. 

Text: A. Müller