Ich führe ein wirklich armseliges Leben. Es fehlt mir an so vielen Dingen. Dinge, die mich glücklich machen. Dinge, die mir das Leben erleichtern. Dinge, die einfach unverzichtbar sind. Ich hatte ja keine Ahnung, was mir alles fehlt.
Zum Glück gibt es Abhilfe. Damit mein armseliges Leben nicht weiterhin so trostlos und leer bleibt, bekomme ich beim täglichen Lesen diverser Internetplattformen Hilfestellung für alle Lebensbereiche. Gutmeinende Menschen bieten mir ihre Unterstützung an. Einfach so! Wie nett! Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die soziale Kälte immer tiefer in die Knochen kriecht, ist es wohltuend, wenn sich jemand um einen kümmert. Da gibt es zum Beispiel die nette Frau aus einem Kaff in der Nähe einer Großstadt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Kampf mit meinen inneren Dämonen aufzunehmen. Sie schreibt, ihre mentale Stärke könne mir helfen, die Dämonen zu befrieden. Das ist wirklich unglaublich nett von ihr. Ich habe nämlich im Alltag ziemlich wenig Zeit für meine inneren Dämonen. Die kommen seit Jahren viel zu kurz. Ja, die Frau hat schon recht: wer sich seiner Dämonen nicht bewußt ist, der merkt gar nicht, dass sie da sind. Und das wäre echt schlecht. Für die Frau.
Also gebe ich einen Auftrag zur Bekämpfung sämtlicher Dämonen. Soll sich die Frau doch damit herumschlagen, wenn sie es so gerne macht. Jeder hat ja so seine Stärken. Ich binde zum Beispiel gerne Blumensträuße, ein anderer repariert Motoren und die Frau kämpft gern mit Geisteswesen.
Für einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölf Euro schickt sie mir ein paar Katzenfotos. Ich solle mein „Herztier“ benennen und mich auf geistiger Ebene hinein fühlen. Mein Herztier würde mir dann eine Botschaft übermitteln. Genauer gesagt, übermittelt das Herztier zuerst der Frau meine Gefühle und sie teilt mir diese dann gegen einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölf Euro mit. Ich finde es wirklich unglaublich fürsorglich, wie viel Arbeit sich die Frau mit mir macht. Ich meine, es ist ja auch nicht so einfach, mir meine Gefühle mitzuteilen. Das soll ihr erst mal jemand nachmachen. Ich jedenfalls blicke schon lange nicht mehr bei meinen Gefühlen durch. Da sind bestimmt auch unerkannte Dämonische mit dabei und ohne die nette Frau würde ich das gar nicht merken.
Wie befürchtet, kommt es dann genau so: es wohnen unzählige Dämonen in mir, teilt mir die Frau mit. Da sind sogar welche dabei, die mich zerstören wollen! Mir fährt der Schreck in die Glieder. Dann fällt mir ein, dass das ja im Grunde auch die Aufgabe von Dämonen sein sollte. Sonst wären sie ja keine und hätten ihren Beruf verfehlt. Allerdings möchte ich mich nicht einfach so völlig wehrlos zerstören lassen (und dabei die Dämonen obdachlos zurück lassen) und frage daher bei der Frau an, was zu tun sei. Gegen einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölf Euro bekomme ich Antwort: so einfach würden sich die mir inne wohnenden Dämonen nicht vertreiben lassen. Ich hätte sie schließlich seit Jahrzehnten unbewacht heran wachsen lassen, sie hätten nun ein Eigenleben, auf das sie nur unter Protest verzichten würden. Der Kampf mit ihnen, ja die gesamte Austreibung würde schmerzhaft, blutig und langwierig sein. Der Gedanke, wie sich meine Dämonen bei der Austreibung verzweifelt an meinen Innereien festklammern, ist mir ehrlich gesagt etwas unangenehm. Ob mein temporäres Magendrücken und die bisweilen ätzenden Kopfschmerzen wohl als Dämonenprotest zu werten seien, will ich von der Frau wissen. Ja, wenn ich genauer darüber nachdenke, dann erklären sich auch meine Schmerzen im Knie nun von selbst. Ursächlich sind nicht Belastung, Alter oder eine Verletzung; nein, die Dämonen hocken da drin und tanzen Polka. Klar, dass das weh tut.
Ich beschließe, den Dämonen mit sofortiger Wirkung zu kündigen, aber die Frau erklärt mir, dies sei nicht so einfach. Ohne ihre Hilfe würde das schiefgehen. Nur sie kenne sich aus im Wirrwarr des Dämonenkündigungsverfahrens. Gegen einen weiteren einmaligen Unkostenbeitrag von nur drölf Euro schickt sie mir nochmals Katzenbilder. Ich solle fühlen, lautet ihr Auftrag. Ich fühle was das Zeug hält und merke nach gefühlten Stunden des Fühlens: nix.
So leiste ich noch einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölf Euro und erfahre, dass ich falsch fühle. Also nicht richtig falsch, aber eben auch nicht richtig richtig. Ich hätte nicht nur ein Dämonenproblem, sondern auch die falsche Einstellung zu der Frau als Mittlerin zwischen den Dämonen und mir. Ich würde ihr nicht vorbehaltlos vertrauen. Das müsse ich jedoch unbedingt. Sonst würde das nichts mit der Dämonenaustreibung. Gegen einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölfzig Euro könnte sie mich in Sachen Vertrauen unterweisen. Ich muss schon sagen, die Frau hat’s echt drauf. Die weiß Dinge über mich, die ich in hundert kalten Wintern nicht geahnt hatte. Sie erklärt mir, das Unvermögen Vertrauen zu bilden, sei ein dämonisches Nebenprodukt. Gegen einen einmaligen Unkostenbeitrag…..
So langsam geht mir das Geld für die Dämonenaustreibung und die Wiederherstellung meines Vertrauens aus. Zur Ehrlichkeit erzogen, teile ich der netten Frau diesen doch sehr privaten finanziellen Umstand mit. Ach, das sei doch kein Problem, antwortet sie mir schnell. Ich könne mir sicher in der Familie etwas borgen. Die Familie würde mich doch in dieser Phase sicher nicht hängen lassen. Andernfalls drohe mir mächtiges Ungemach mit meinen mittlerweile aufgeschreckten Dämonen. Es seien nur noch ungefähr 25 Sitzungen mit ihrer Hilfestellung nötig, um endlich Heilung zu erfahren. Dies könne ich doch unmöglich aus Geldgründen sausen lassen. Geld sei doch ohnehin ein Sinnbild für dämonische Gier und man solle stets darauf achten, nicht zu viel davon zu besitzen.
Bei ihr wäre der schnöde Mammon gut verwahrt und könne keinen weiteren Schaden anrichten.
Plötzlich fühle ich etwas! Ohne stundenlangen Starrens auf Katzenbilder, habe ich eine Erleuchtung.
Plötzlich sehe ich alles glasklar vor mir und verstehe.
Gegen einen einmaligen Unkostenbeitrag von drölf Euro erzähle ich euch mehr.
Text: A. Müller