Muttertag
„Hältst du es wirklich für eine gute Idee, einen Muttertagstext zu schreiben?“ fragt mich der Ehemann, „ich meine, du als Muttertagsendgegnerin bist in dieser Hinsicht ja nicht besonders objektiv.“ Da hat er zugegebenermaßen schon recht, der Muttertag geht mir wirklich am Hintern vorbei. Außerdem ist er in meinem Beruf mit jeder Menge Planung, Arbeit und Überstunden verbunden. Ein Tag also, den ein fauler Knochen wie ich es bin gerne aus dem Kalender streichen würde.
Allerdings sind meine Texte üblicherweise sowieso alles andere als objektiv. Also darf ich mich völlig frei fühlen auch zu diesem Thema meinen Senf dazuzugeben.
Die Idee des Muttertages kommt, wie könnte es auch anders sein, aus den USA. Na ja, nicht ganz, denn die Ursprünge des Muttertags lassen sich bis zu den Verehrungsritualen der Göttin Rhea im antiken Griechenland sowie dem Kybele- und Attiskult bei den Römern zurückverfolgen. Der Muttertag in seiner heutigen Form wurde dann Ende des 19.Jahrhunderts von der US-amerikanischen Frauenbewegung geprägt. Irgendwann in den 1920er Jahren schwappte die Idee auch nach Europa, bzw Deutschland und der Verband deutscher Blumengeschäftsinhaber grinste sich eins und rieb sich die Hände.
Wann das Gaststättengewerbe ins Boot gesprungen ist, kann ich nicht sagen. Während meiner wie üblich flüchtigen Recherchen habe ich nichts dazu im Internet gefunden.
Aus der Idee, die Arbeit der Mütter zu würdigen und dieser einen angemessenen Stellenwert in der Gesellschaft zu geben, wurde ziemlich schnell eine Möglichkeit geschaffen, Umsatz zu generieren.
Konkret bedeutet das: Frauen und Mütter, die im floralen Gewerbe oder in der Gastronomie beschäftigt sind, laufen sich an diesem Tag die Haken wund, hören sich unzählige Kundenwünsche an, binden Sträuße (genauso wie der hier, aber kleiner und billiger und bitte in rosa statt in gelb), nehmen Bestellungen an (gibt es das Kalbsschnitzel auch vegan?) schleppen Teller und Gläser und sinken am Abend völlig erschöpft in die Kissen.
Und das alles, damit Kinder und ihre verzweifelten Väter irgendwie ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen können.
AN EINEM EINZIGEN TAG IM JAHR!
Sagt mal, geht’s noch?
Meine Zeit als aktive Mutter ist schon längst vorbei. Mein Sohn ist erwachsen und mittlerweile selbst Vater zweier bezaubernder Kinder. Als er noch klein war, habe ich viel von ihm erwartet. Dankbarkeit jedoch, Dankbarkeit war nie unter meinen Erwartungen.
Ein Kind sollte seinen Eltern nicht dankbar sein müssen! Wofür denn auch? Für Nahrung, Kleidung, Fürsorge etwa? Nein, ganz bestimmt nicht. Man kann doch nicht für etwas dankbar sein müssen, dass man nicht selbst gewählt hat.
Je älter ein Kind wird, desto eher ist es in der Lage, die Arbeit seiner Eltern (und eben nicht ausschließlich der Mütter) wertzuschätzen. Aber Dankbarkeit? Nein.
Überhaupt: ist der Muttertag nicht irgendwie ein Relikt aus alten Zeiten? Zeiten, in denen üblicherweise die Frauen sämtliche Hausarbeiten erledigten und alleine für die Kindererziehung zuständig waren. Damals, als die Männer sich nach Feierabend von ihren Frauen bedienen ließen und ruhige, adrett gekleidete Kinder artig auf der Couch sitzen mussten.
Klar, dass die Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts irgendwann mal die Schnauze voll hatte, trotzig aufstampfte und rief: „Aber wenigstens EINMAL im Jahr könntet ihr gefälligst dankbar sein!“
Der Aufruf richtete sich also mehr an die Männer als an die Kinder.
Im Laufe der Jahrzehnte haben die Männer viel dazu gelernt. Mittlerweile ist die Aufgabenverteilung innerhalb der Familien insgesamt doch ziemlich ausgewogen. Väter wickeln ihre Kinder, stehen Nachts auf und wiegen das weinende Baby wieder in den Schlaf, nehmen sich Zeit für Haushalt und Kinder. Manche bleiben auch ganz zu Hause, während die Ehefrau ihrem Beruf nachgeht.
Frauen sind unabhängiger, verdienen ihr eigenes Geld. Manche wuppen Job, Familie, Haushalt und Hobby, ganz ohne einen Mann an ihrer Seite.
Aus den abhängigen Mäuschen der letzten Jahrhunderte haben sich starke Frauen entwickelt. Frauen, die wissen was sie können.
Super Sache, oder?
Warum hängen wir also einer längst überkommenen Tradition nach? Schenken Blumen an diesem einen Tag oder laden die Mutti ins teure Restaurant ein? Lassen (im sowohl übertragenen als auch im konkreten Sinn) andere Frauen schuften, um irgendwie seine Schuldigkeit getan zu haben?
Weil wir Gewohnheitstiere sind. Weil man das so macht. Weil… ja eben weil halt!
Nix gegen das Schenken generell! Kleine Aufmerksamkeiten und Gaben öffnen Türen und Herzen.
Wird die Schenkerei (wie am Valentinstag oder an Weihnachten auch) nun jedoch auf einen bestimmten Tag konzentriert, ist es eher so, als würde man seiner „Pflicht“ genüge tun. Außerdem treibt es die Preise in die Höhe. Das nur am Rande, weil ich gestern unzählige schroffe Fragen, bezüglich der Preisgestaltung unserer Werkstücke beantworten musste.
Schenken, Liebe und Wertschätzung zeigen, ist auf jeden Fall keine Frage des Budgets. Ein Sträußchen von der Wiese ist manchmal viel wertvoller als der teuerste Floristenstrauß.
Ein angebrannter Toast zum Frühstück mit Marmeladenklecksen auf Finger und Schlafanzug, herzerwärmender als ein nobles Dreigängemenü.
So. Nun könnt ihr selbst überlegen, wie ihr zukünftig mit traditionellen Gedenktagen wie es der Muttertag einer ist, umgehen wollt.
Auf jeden Fall gibt es noch weitere 364 Tage im Jahr, um eure Wertschätzung und eure Liebe zu zeigen.
Ich ruh’ mich jetzt aus. Morgen kommen nämlich all jene mit einem schlechten Gewissen in den Laden, die den heutigen Tag verschnarcht haben.
Habt einen sonnigen Sonntag!
Text: A. Müller