„Wenn Sie den Segen Gottes nicht verpassen wollen, klicken Sie bitte auf den blauen Brief, erfahren Sie mehr über die Rettung durch Gottes zweites Kommen, und Sie werden unerwartete Segnungen erhalten.“, so schreibt mir Maria Muttergottes Mutter. Dass das mit der Rettung so einfach ist, hätte ich echt nicht gedacht. Leute, wir sind nur einen Klick vom Weltfrieden entfernt!

Wobei: der Begriff „blauer Brief“ erinnert mich unangenehm an meine Schulzeit. Lag jener damals im elterlichen Briefkasten, konnte man sich wahrlich auf diverse Segnungen gefasst machen. Der Segen des Fernsehfastens zum Beispiel. Oder die Rettung vor gefährlichen Begegnungen in der Freizeit durch Hausarrest. 

Ach, was waren wir damals gesegnet! 

Ich denke noch eine Weile über den Weltfrieden nach und ob ich nicht einfach mal, stellvertretend für uns alle, auf diesen blauen Brief klicken soll, da sehe ich eine weitere Maria’sche Aufforderung: 

„Mach dir keine Sorgen, wenn du nichts hast, hast du immer noch Gott, Er ist deine einzige Stütze! Klicken bitte auf den Link und du erhältst eine Überraschung.“

Einigermaßen verwirrt versuche ich diesen Satz zu verstehen. Überlege, denke, ziehe die Stirn in Falten. Arbeitet Maria in der Zynismusabteilung des Jobcenters? Läßt sie solche Sätze im Beratungsgespräch mit Frau Müllermeierschulze los? „Ach Gottchen, Sie haben alles verloren? Job, Wohnung, Sparbuch? Ja, voll blöd, aber von uns gibt es keine Stütze. Dafür haben Sie haben ja immer noch Gott.“

Trost kann so viele Gesichter haben. Sogar Fratzenartige.

Maria ist nicht die Einzige, die im WWW ihre Hilfe anbietet. Ihre Seite steht exemplarisch für all die Rattenfänger, die sich auf anderleuts Kosten bereichern wollen. Der alte Taschenspielertrick funktioniert besser denn je. Das Geschäft mit der Verzweiflung und der Dummheit boomt wie nie zuvor. Je instabiler die Welt um uns herum wird, desto mehr Menschen suchen Rat, Hilfe und Halt. 

Zu früheren Zeiten konnte man sich sein Seelenheil mit Ablassbriefen und dicken Spenden an die Kirche erkaufen. Heute klicken wir halt irgendeinen blauen Brief an und geben unser letztes Geld für die Hoffnung auf ein besseres Leben. 

Dabei ist Spiritualität so alt wie die Menschheit selbst. Der Gedanke, es gäbe irgendwo im Universum einen, der irgendwie den Überblick über das ganze Schlamassel hat, ist ja auch ziemlich spannend. Und entlastend ist es auch: wenn all das, was auf der Welt geschieht, auf die Rechnung des großen Planschmiedes geht, dann ist der Einzelne ja nicht mehr verantwortlich. Oder zumindest nur im Rahmen der Regeln, die die Spiritualisten jeweils aufgestellt haben. Solche Regeln und Grenzen sind im Tohuwabohu eines Menschenlebens nicht ganz unwichtig; sie geben tatsächlich einen gewissen Halt. 

Wir Menschen sind eben oft genug (Welt)situationen ausgesetzt, die wir nicht selbst verursacht haben und sie auch nicht im Einzelnen bereinigen können. Man denke nur an die vielen Menschen, die Kriegen, Flucht und Vertreibung  ausgesetzt sind. Ohne die Hoffnung auf Frieden und die Heimkehr ihrer Söhne und Väter, könnten sie kaum weiter machen. 

Diese Menschen brauchen unsere tatkräftige Unterstützung und unsere Solidarität, aber keinesfalls Sprüche wie diese: „Das unbefleckten Online-Gebet wird 4 Tage lang dauern. 

Wenn Sie sich darauf freuen, klicken Sie bitte auf den Link und nehmen Sie an der Gebetssitzung teil und großer Segen wird Ihnen zuteil.“

Mensch Maria, alter Grützkopf! Von mir aus kannst du beten so lange du magst. Mit oder ohne Flecken; ist mir wirklich egal. 

Aber hör um Himmels willen damit auf, spirituelle „Lösungen“ für weltliche und äußerst komplexe Themen anzubieten. Das ist so widerlich. Aber das weißt du ja selbst. 

Was? Wie bitte? Ich soll dir auf Augenhöhe begegnen und dich da abholen, wo du stehst? Ja, stimmt. Das hab ich im Überschwang meiner Schreiberei völlig vergessen. Entschuldige.

Also versuche ich wenigstens beim Abschluss dieses Textes die Kurve zu kriegen:

Heiliger Bimbam und alle deine Mitarbeitenden im göttlichen Universum! Ich bitte demütigst um Erlösung von missionierend religiösen Online-Sekten und deren Schwachsinnigkeiten. Lass deinen Namen nicht von ihnen missbrauchen, sondern erlöse sie mit deinem heiligen Kanonenrohr auf das es scheppert in ihrem Geiste. Oder klicke einfach auf den blauen Brief.

Text: A. Müller